Dr. Martin W. Hüfner (Bild), Chefvolkswirt der Investment-Boutique Assenagon, vergleicht in seinem neuesten Kommentar der Liquiditätsentwicklung in den USA und im Euroraum. Denn selten war die monetäre Gemengelage diesseits und jenseits des Atlantiks so unterschiedlich wie jetzt. In den USA steigt die Geldmenge (gemessen an der Bilanzsumme der Zentralbank) stark an. Seit Mitte vorigen Jahres hat sie sich um 40 Prozent erhöht. In Europa geht sie dagegen drastisch zurück. In der gleichen Zeit hat sie sich um 800 Milliarden Euro oder rund  25 Prozent verringert (siehe Grafik).

Gleichzeitig gibt es in den USA Ängste, dass die Verringerung der Wertpapierkäufe der Zentralbank (Tapering) erhebliche Rückwirkungen auf die Finanzmärkte und auf die Volkswirtschaft insgesamt haben könnte. Daher hat die FED den Beginn des Taperings erst einmal verschoben.

Umgekehrt hat die Rückführung der Liquidität in Europa keine sichtbaren Auswirkungen gehabt. Weder hat sich die Aktien-Hausse verringert. Sie ist in den letzten Monaten sogar kräftiger als in den USA gewesen. Noch sind die Kapitalmarktzinsen stärker gestiegen. Die eu-ropäischen Sätze haben sich lediglich als Folge der Tapering-Diskussion in den USA etwas erhöht, aber wesentlich weniger als in den USA selbst. Auch die Konjunktur und der Arbeitsmarkt wurden durch die Rückführung der Liquidität nicht belastet.

Wie passt die alles zusammen, fragt sich Hüfner. Kann man aus den europäischen Erfahrungen schließen, dass der Zusammenhang zwischen der Liquiditätsversorgung und den volkswirtschaftlichen Marktdaten doch nicht so eng ist, wie es die üblichen Korrelationen suggerieren, sind also die Ängste vor dem Tapering in den USA übertrieben? Hüfners Antwort ist ein „Ja“ und „Nein“.

Zunächst sei zu bedenken, dass es in Sachen Liquidität und Geldmenge erhebliche Unterschiede zwischen den USA und Europa gebe. Man könne daher die europäische Entwicklung nicht so einfach über die USA übertragen.

Drei Dinge spielten eine Rolle

Erstens war die Verringerung der Geldmenge in Europa anders als den USA kein geldpolitischer Kurswechsel. Sie beruhte vielmehr auf der Initiative der Banken, die Kredite im Rahmen des LTRO (Longer Term Refinancing Operation) vorzeitig zurückzuzahlen. Es ist sogar zu vermuten, dass das der EZB angesichts der schwachen Konjunktur und der Probleme in der Währungsunion gar nicht ganz recht war. In jedem Fall hat sie versucht, mögliche negative Wirkungen der Geldmengenverringerung aufzufangen. Dies geschah durch zwei Zinssenkungen, durch die „Forward Guidance“ (= das Versprechen, die Leitzinsen auf absehbare Zeit niedrig zu halten) und durch den Hinweis, dass es ein neues LTRO-Programm geben könnte. Zweitens operiert die EZB nicht wie die FED direkt am Markt. Damit beeinflusst sie auch nicht die Kapitalmarktzinsen. Wenn dagegen die Fed ihre Wertpapierkäufe verringert, gibt es weniger Nachfrage nach Bonds. Die Zinsen müssen automatisch steigen. Das „Tapering in Europa“ ist kapitalmarktschonender. Drittens ist in Europa nur das tatsächliche Zentralbankgeld zurückgeführt worden, nicht aber die Liquidität im Sinne der jederzeitigen Verfügbarkeit von Geld. Die EZB hat den Banken im Gegenteil ausdrücklich zugesichert, dass sie alle Tender voll zuteilen würde, die Banken also weiter Geld zu praktisch Nullzinsen bekommen können. Das wäre in den USA beim Tapering nicht der Fall. Wenn die Federal Reserve keine Wertpapiere mehr kauft, bekommen die Banken weniger Mittel. Insofern ist die amerikanische Politik einschneidender.

Situation in den USA ist anders

Es sei daher kaum zu erwarten, so Hüfner, dass das Tapering in den USA am Ende ebenso ein „Non-Event“ wie in Europa sei. Andererseits sollte man die Erfahrungen der EZB aber auch nicht ganz vom Tisch wischen. Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Aktienkursen und Bonds-Zinsen sei nicht festgemauert. Es könne gelingen, die Liquidität zu verringern, ohne die Märkte in Unordnung zu bringen. Das zeige auch die Erfahrung der letzten großen Restriktionsperiode 2004/2006 in den USA, als die massiven Zinserhöhungen die Märkte kaum tangierten.

Kommunikation der FED-Poltiik ist Yellens vornehmste Aufgabe

Wichtig sei allerdings, dass die Notenbank dabei klug agiert. Sie müsse den Märkten die Ängste nehmen und klar machen, dass sie die Geldpolitik zwar normalisieren, diese aber nicht restriktiv gestalten wolle. Sie müsse zeigen, dass auch sie kein Interesse daran habe, dass Aktienkurse und/oder Bonds-Preise zusammenbrächen. Die Märkte würden – im Gegenteil nach Abschluss des Tapering gesünder dastehen, weil sie dann weniger von Liquidität und mehr von fundamentalen Faktoren getrieben würden. Das zu erklären, werde die Aufgabe der neuen FED-Chefin Janet Yellen sein.

Was bedeutet das für den Investor?

Hüfner: „Nach den Erfahrungen in Europa halte ich die Befürchtungen hinsichtlich des Tapering in den USA für übertrieben. Die Verringerung des Zuwachses an Liquidität muss nicht zu einem Blutbad an den Märkten führen. Voraussetzung ist freilich eine gute Kommunikation. Daher halte ich nach wie vor an der Erwartung fest, dass die Fed unabhängig von allen Konjunkturdaten mit dem Tapering erst dann beginnen wird, wenn der Chefsessel neu besetzt ist.“ Die neue Präsidentin sei die Einzige, die den Märkten die notwendige Führung („Guidance“) geben könne. Das ungeduldige Warten der Märkte auf das Tapering in diesen Wochen mute etwas merkwürdig an. Jeder wisse inzwischen, dass die Wirtschaft robust genug sei, um auch mit weniger Liquidität auszukommen, meint Hüfner abschließend.

IM_Liquiditätsentwicklung_20-11-2013

 

 

Quelle: Institutional Money

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