Wo sind all die Bären nur geblieben? Alle Experten erwarten Aktiengewinne in den USA
Nach zwei Jahren mit konstanten Kursgewinnen sind am amerikanischen Aktienmarkt keine skeptischen Stimmen mehr zu finden. Dem unvoreingenommenen Betrachteter sollte dies allerdings Angst machen, und die ersten Januar-Tage scheinen ihm dabei Recht zu geben.
Alle US-Auguren positiv gestimmt
Unter den von Bloomberg erfassten professionellen Wall- Street-Auguren rechnet kein einziger damit, dass es 2015 abwärts gehen könnte – im Schnitt wird vielmehr mit einem Anstieg um 8,1 Prozent gerechnet. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass Käufer börsengehandelter Fonds im vergangenen Quartal ihre hartnäckige Ausrichtung auf Anleihen beendeten und sich mit Elan auf US- Aktien stürzten.
Wo sind die Pessimisten?
Pessimismus, bislang ein konstanter Begleiter des Bullenmarktes, der auf dem besten Weg ist, der zweitlängste seit den Zeiten der Kennedy-Regierung zu werden, scheint auf einmal völlig verschwunden zu sein. Immerhin hat der S&P 500 Index seit 2012 bereits 44 Prozent zugelegt. Für das laufende Jahr sagen die Strategen zwar die schwächste Rally in vier Jahren voraus, doch trotz der Aussicht auf höhere Zinsen und ein langsameres Wachstum der Weltwirtschaft sind bislang keine überzeugten Bären hervorgetreten.
Es falle schwer, nicht auf Gewinne zu setzen, wird etwa Dubravko Lakos-Bujas, Chef für US-Aktien und quantitative Strategie bei JPMorgan Chase in New York zitiert. Man bleibe wegen der Risiken im Zusammenhang mit dem weltweiten Wachstum und Änderungen der Geldpolitik vorsichtig. Dazu sei es etwas bedenklich, dass alle auf Gewinne spekulierten, so Lakos-Bujas weiter.
Nachdem Aktien lange Zeit in Ungnade gefallen waren, favorisieren Investoren sie nun gegenüber Anleihen so stark wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Im vierten Quartal flossen etwa 91 Milliarden US-Dollar in börsengehandelte US-Aktienfonds, verglichen mit Festverzinslichen-Zuflüssen von 23 Milliarden US-Dollar. Die Aktienkäufe sind nicht zuletzt auf die Erwartung zurückzuführen, dass sich das US-Wirtschaftswachstum 2015 beschleunigen wird. Wenn sich die Investoren wieder stärker an die Aktien gewöhnt hätten, würden sie von den börsengehandelten Fonds auf aktiver gehandelte Produkte umschichten, um höhere Renditen zu erzielen, meint Brian Belski, leitender Investment-Stratege bei BMO Capital Markets in New York.
Von Bloomberg befragte Volkswirte gehen im Median davon aus, dass die weltgrößte Volkswirtschaft im laufenden Jahr um drei Prozent wachsen wird. Sie war im dritten Quartal 2014 bereits um fünf Prozent hochgeschnellt, so stark wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, nachdem die Verbraucherausgaben und Unternehmens-Investitionen anzogen. Für 2015 wird dank der niedrigen Benzinpreise mit einer höheren Kaufkraft der Haushalte gerechnet, die sich in weiter steigenden Konsumentenausgaben niederschlagen könnte. Das stärkste Wachstum erwarten die von Bloomberg befragten Experten bei Unternehmen aus den Bereichen Nicht-Basiskonsumgüter, Technologie und Rohstoffe.
Seit 2011 haben Strategen den aktuellen Bullenmarkt unterschätzt
Der S&P 500 ist in 20 der vergangenen 26 Monate gestiegen und 2014 niemals mehr als drei Tage in Folge gefallen. Für das laufende Jahr sagen die Experten im Schnitt einen Zuwachs um 166 Punkte auf 2225 zum Jahresende voraus. Es ist das erste Mal seit 2009, dass alle auf Gewinne setzen. Damals hatte der Leitindex 23 Prozent gewonnen. Sollte diese Prognose eintreffen, würde der Bullenmarkt den bislang zweitlängsten Anstieg von 1974 bis 1980, der 2248 Tage anhielt, übertreffen. Lediglich die Rally von 1990 bis 1998, die 2836 Tage andauerte, hatte noch länger Bestand, wie aus Daten von Bloomberg und Birinyi Associates hervorgeht, die bis in die 60er Jahre zurückreichen.
Am optimistischsten ist Tony Dwyer von Canaccord Genuity Securities, der mit einem Anstieg des S&P 500 bis Dezember auf 2340 Punkte rechnet. Die pessimistischsten Prognosen mit jeweils 2100 Punkten kommen von Jonathan Glionna von Barclays und David Kostin von Goldman Sachs. “Der Markt wird sich wieder so entwickeln, dass sich alle dumm vorkommen – ob es nun zu etwas Gutem, wie zweistelligen Gewinnen, oder zu Verlusten kommt”, sagt David James, Analysechef bei James Investment Research. Wenn überall Einigkeit bestehe, dann müsse man sich wirklich Sorgen machen, dass der Markt etwas anderes machen werde, so sein (prophetisches?) Schlusswort.
Quelle: Institutional Money
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